Was das Baby seinen Eltern sagen möchte
Bevor das Baby da ist, haben die Eltern so viel Respekt vor der Geburt und den Veränderungen, die auf sie zukommen werden, dass sie sich zu wenig darauf einlassen können, was ihr Baby nach der Geburt braucht.
Klar, die Versorgung! Milch, frische Windeln, frische Luft und dann trinken, verdauen, schlafen, kuscheln.
Bei einer normalen Geburt ohne Stress schüttet der Körper der Mutter so viel von dem Wundermittel und Bindungshormon Oxytocin aus, dass Eltern in ihrer Verliebtheit fast alles automatisch richtig machen.
Sie betrachten ihr Kind liebevoll und beobachten seine Regungen. Bei jeder Gelegenheit kuscheln sie mit ihm. Wenn es endlich seine Augen öffnet, nehmen sie Kontakt zu ihm auf. Sie heben die Augenbrauen und nicken ihm zu, indem sie es mit melodischer Stimme ansprechen. Sie versuchen seine Laute zu verstehen, wollen wissen ob das Schreien bei Hunger anders klingt als das Knötern und Schreien beim Verdauen oder ob es nur bedeuten soll: „mir reicht es, ich möchte schlafen, bitte still mich“.
Viele Eltern erfassen intuitiv die Signale ihres Babys, die Körpersprache. Anfangs benötigen die Babys darauf eine körperliche Antwort. Sie wollen gehalten, gewiegt und liebkost werden.
Kuscheln erleichtert die Anpassung an das Leben
Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass sehr viel Kuscheln die Anpassung an das Leben erleichtert und wichtig für die lebenslange Stressverarbeitung ist. Genaue wissenschaftliche Untersuchungen mit Videos haben gezeigt, dass nach der dritten Lebenswoche Babys ihrem Reifestand entsprechend eine klare Körpersprache zeigen, die bedeuten kann:
- ich wende mich dir zu und bin bereit mit dir Kontakt aufzunehmen
- ich brauche eine Pause und wende mich von dir ab.
Diese Feinzeichen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wenn es den Eltern aber gelingt, den Moment der größten Aufnahmefähigkeit ihres Babys zu erwischen, dann entstehen die „magical moments“ oder der „Gegenwartsmoment“, wo man sich innerlich berührt.
„Magical Moments“ erleben
Diese Magie möchte man öfter erleben, das Baby sowohl wie der Erwachsene. Je öfter sich die Blicke begegnen und eine gefühlsbetonte Reaktion auslösen, desto interessierter werden die Babys daran, bis sie selbst den „babytalk“ anfangen.
Mit sechs Wochen ist das soziale Wiederlächeln für die Eltern beglückend. Nun beginnt dieser an Flirten erinnernde kommunikative Austausch oftmals vom Baby ausgehend. Ein feinfühliges Verhalten der Eltern ist Vorausssetzung dafür, dass das Baby diesen Austausch geniessen kann. Feinfühligkeit zeigt sich darin, dass die Eltern den richtigen Abstand einhalten, ihre Stimme heben und senken, sich die Augenbrauen bei der Grußreaktion beteiligen, und die gesamte Mimik sehr lebhaft ist. Der Abstand zwischen den Babylauten und der Erwiderung durch die Eltern soll kontingent sein, darf nicht zeitlich verzögert sein.
Das klingt sehr kompliziert. Glücklicherweise wird dieses intuitive Verhalten von Erwachsenen durch den Anblick des niedlichen Babys ausgelöst.
Wann hilft Entwicklungspsychologische Beratung?
Aber es gibt erschöpfte Erwachsene und nicht immer so niedliche Babys. Da versiegt die natürliche Quelle. Es gibt Babys, die sehr schwierig zu beruhigen sind. Es gibt Eltern, die leicht zu verunsichern sind. Beides erschwert die Feinfühligkeit.
In diesen Fällen hilft die Entwicklungspsychologische Beratung (EPB) weiter. Durch Videos lässt sich herausfinden, welche Missverständnisse bestehen und wie man doch zu den „magical moments“ kommt. Denn diese sind die idealen Bausteine für Babys Gehirn vom zweiten Lebensmonat bis zum dritten Lebensjahr.
Besonders in den ersten drei Lebensmonaten, wo die Grenzen zwischen Wachen und Schlafen häufig noch so fließend sind, ist es wichtig, jede Gelegenheit des aufmerksam wachen Zustands zu nutzen, dem Baby diese Bausteine zur Verfügung zu stellen.
Es sind gerade die alltäglichen, immer wiederkehrenden Verrichtungen, die das Baby liebt für seinen Austausch. So unterbricht es das Trinken häufig und flirtet. Oder es liebt die Kommunikation und die Berührung beim Wickeln. All dies trainiert sein Gehirn in idealer Weise. So lernt es die Grundlage all unseres Denkens und Fühlens. Es beginnt mit der Körper- und Sinneserfahrung, immer in der Interaktion mit der Mutter, dem Vater. Dadurch lernt es seine ureigenen Befindlichkeiten kennen.
Diese acht Basisemotionen sind:
- Furcht / Panik
- Zorn / Wut
- Freude / Ekstase
- Traurigkeit / Kummer
- Akzeptanz / Vertrauen
- Ekel / Abscheu
- Überraschung / Erstaunen
- Neugierde / Erwartung
Erst wenn es ein halbes Jahr alt ist, dämmert es dem Baby, dass die Mutter ihm seine Gefühle nur spiegelt, sie aber nicht die selben hat. So erfährt es, dass es ein von der Mutter getrenntes Selbst hat, mit eigenen Gefühlen. Diese Entdeckung macht Angst und verführt dazu es ungeschehen zu machen.
Gleichzeitig ist ein Baby mit acht Monaten sehr beweglich und neugierig und möchte die Welt erobern. Diesen Zwiespalt nennen wir die „Bindung“. Das Überwinden der Angst ist nur möglich, wenn das Baby sicher wird in seinem eigenen Selbst und sicher, dass die Mutter es loslassen kann und gleichzeitig aufmerksam verfolgt. Wenn das Baby seiner nicht sicher sein kann, wird es seinen Erkundungstrieb aufgeben und Trost im sicheren Hafen der Mutter suchen.
Der „Kreis der Sicherheit“
In dem anschaulichen Schaubild vom „Kreis der Sicherheit“ ist dies dargestellt.
Mit einem Jahr ist das Baby sicher an seine Mutter gebunden. Es steht aufrecht und läuft freudig in die Welt, weil es gewiss ist, dass die Mutter immer zur Stelle ist, wenn es sie braucht.
Das Einüben dauert noch ein halbes Jahr bis die Babys mit 18 Monaten schließlich ihr eigenes Spiegelbild erkennen können und eine Vorstellung von sich selbst als Person haben.
Nun möchte es sein Selbst schützen und lässt sich oft nicht mehr auf Fremde ein, sondern beobachtet zunächst. Es kann in dieser Zeit viele Handlungen nicht nur nachahmen, sondern möchte aktiv helfen und kann in Rollenspielen Erlebnisse und Konflikte verarbeiten.
In dieser Zeit findet ein neuer großer Umbau im Gehirn des Kindes statt, der für das Kleinkind aber auch für die Eltern sehr herausfordernd ist und das „Trotzalter“ genannt wird. Das Kind verteidigt vehement sein gerade entdecktes Selbst. Doch auch hier helfen „magical moments“ wie ganz am Anfang, sich aufeinader einzustimmen und Missverständnisse zu klären.
Der Kurs „Sicherer Hafen“ begleitet Eltern durch diese aufregenden Zeiten und möchte ihnen Gelegenheit geben, möglichst freudig alle neuen Herausforderungen anzunehmen.